Der Plönlein-Brunnen – mehr als nur ein steinerner Trog
Wenn du vor dem berühmten Plönlein in Rothenburg ob der Tauber stehst – eingerahmt von dem gelben Fachwerkhäuschen, dem Siebersturm zur linken und dem Kobolzeller Tor zur rechten – dann fällt dein Blick unweigerlich auf den Brunnen, der direkt an der Gabelung des Platzes steht. Viele gehen achtlos daran vorbei. Andere posieren kurz für ein Foto. Doch nur wenige wissen: Dieser Brunnen ist eines der funktional vielschichtigsten Elemente am Plönlein. Der Plönlein-Brunnen stammt aus dem Mittelalter und hatte eine zentrale Funktion in der öffentlichen Infrastruktur. In einer Zeit, in der es kein Leitungswasser gab, waren Brunnen lebensnotwendig. Doch dieser hier war noch mehr – er erfüllte gleich drei essenzielle Aufgaben, die bis heute noch an den Details seiner Bauweise ablesbar sind.
1. Die Tränke für Pferde und Lasttiere
Der erste und wohl ursprünglichste Zweck des Brunnens war es, als Tränke für Pferde und Zugtiere zu dienen. Reisende, Händler und Fuhrwerke kamen aus dem Taubertal herauf – durch das Kobolzeller Tor, über die historische Brücke und die steile Kobolzeller Steige. Ob beladene Karren, Boten, Pilger oder Ritter: Sie alle erreichten an dieser Stelle den Stadtkern – durstig, erschöpft und auf Wasserversorgung angewiesen.
Was viele Besucher nicht sehen:
Im unteren Bereich des Brunnens, der leicht in das Gefälle der Gasse eingelassen ist, befindet sich eine separate Tränke, die speziell für Tiere gedacht war. Diese kleine, tiefergelegene Steinwanne ist nur sichtbar, wenn du dich auf die Kobolzeller Steige begibst und den Brunnen von unten betrachtest. Von dort offenbart sich die ursprüngliche Funktion als Tränkestation für Tiere auf dem letzten Stück ihrer Reise in die Stadt.
2. Fischzucht – ein mittelalterliches Bassin
Die zweite, weit weniger bekannte Funktion des Plönlein-Brunnens: Er diente zeitweise zur Zucht und Aufbewahrung von Fischen. In einer Zeit ohne Kühlschränke oder Konservierungstechniken war es üblich, lebende Fische in kaltem Wasser zu halten, bis sie verarbeitet oder verkauft wurden. Und genau das geschah auch hier. Wenn du genau hinschaust, entdeckst du am Rand des Brunnens Holzverschläge oder Deckelkästen – unscheinbare Abdeckungen, die bei genauer Betrachtung aufklappbar sind. Öffnest du sie (sofern zugänglich), offenbart sich darunter ein kleines, separates Wasserbecken, das früher zum Zwischenlagern lebender Fische diente. Ob Karpfen, Forelle oder Aal – der Brunnen war sozusagen ein mittelalterlicher Frischhaltetresen.
3. Versorgungsbrunnen für die Bewohner
Nicht zuletzt war der Plönlein-Brunnen natürlich auch ein klassischer Trink- und Nutzwasserbrunnen für die Bewohner der umliegenden Viertel. Das Wasser kam aus Quellleitungen, die außerhalb der Stadt im höher gelegenen Gelände gefasst und über ein einfaches Druckleitungssystem in die Stadt geleitet wurden – eine technische Meisterleistung für das 14. Jahrhundert. Der Brunnen war damit einer von vielen öffentlichen Wasserstellen in Rothenburg, die systematisch in der Altstadt verteilt waren. Noch heute gibt es in Rothenburg ob der Tauber das Recht, dass die Bewohner das Brunnenwasser nutzen dürfen. Viele Rothenburger bewässern heute mit dem Brunnenwasser ihre Gärten.